Lesen und Schreiben: Elitäres Ideal oder zugängliches Werkzeug?

Kürzlich las ich die Thesen der Schriftstellerin Nicole Krauss zum Zustand unserer Lesekultur. Sie beklagt einen tiefgreifenden Verlust: unsere Fähigkeit zur Konzentration auf lange Texte und damit die Bindung an die Bedeutung von Sprache. Ohne diese Anstrengung, so warnt sie, drohten uns „Unartikuliertheit, Dunkelheit, Gewalt, verminderte Freiheit für alle und ein verminderter Zustand des Menschseins.“ Diese Worte klingen bedeutsam, doch aus meiner Sicht ist diese Perspektive gefährlich eindimensional.

Nachvollziehbare Position

Als Autorin ist es nachvollziehbar, dass Krauss eine solche Entwicklung beklagt. Aber was ist mit all den Menschen auf der Welt – Milliarden über die Geschichte hinweg und auch heute noch – die aus den verschiedensten Gründen nie die Chance hatten, Lesen und Schreiben zu lernen? Krauss beklagt eine Vision eines Missstandes, deren volle Tragweite sie aus ihrer Position vielleicht gar nicht absehen kann. Sie fokussiert sich stark auf ihre eigene Erfahrungswelt und scheint die enormen Chancen zu ignorieren, die sich für viele Menschen eröffnen – beispielsweise die Möglichkeit, auch ohne perfekte Schriftbeherrschung durch sprachliche Konversation, durch Zuhören, durch neue Medien und ja, auch durch technische Hilfsmittel zu lernen und am gesellschaftlichen Diskurs teilzuhaben.
Für mich persönlich, der ich offen zugebe, eine ausgeprägte Lese- und Schreibschwäche zu haben – ich schreibe oft Worte falsch, die ich hunderte Male gesehen und genutzt habe – sind technische Hilfen ein wahrer Segen.

Arrogant wirkende Zuspitzung

Was Krauss als Symptom eines Niedergangs anprangert, eröffnet für Menschen wie mich völlig neue Horizonte des Lernens und der Kommunikation. Die traditionellen Fähigkeiten des Lesens und Schreibens als das einzig wahre Mittel zur Erlangung einer friedlichen Zivilisation zu stilisieren, macht aus Menschen wie mir, und vielen anderen, quasi „Wilde“. Das empfinde ich nicht als weise, sondern, mit Verlaub, als eher arrogant. Es hängt die zivilisatorische Teilhabe an einer einzigen Fähigkeit auf, die nicht jedem in gleichem Maße gegeben ist.

Vom Privileg zur Chance: Ein notwendiger Perspektivwechsel

Meine eigene These, dass Lesen und Schreiben historisch betrachtet und in Teilen bis heute ein „Privileg der Reichen und Herrschenden“ sind, gewinnt vor diesem Hintergrund noch an Schärfe. Die breite Alphabetisierung ist, wie gesagt, ein sehr junges Phänomen. Es ist an der Zeit, dass wir Literalität nicht als exklusiven Club betrachten, sondern als ein Werkzeug von vielen.
Die kritischen Fragen, die sich mir stellen und die ich zur Diskussion stellen möchte, sind daher:

  • Wie können wir die Debatte über Lesen und Schreiben so führen, dass sie inklusiv ist und die Realitäten von Menschen mit Lernschwächen, unterschiedlichen kulturellen Hintergründen oder schlichtweg mangelndem Zugang zu traditioneller Bildung berücksichtigt?
  • Statt einen vermeintlichen Verfall zu beklagen, sollten wir nicht vielmehr die Potenziale neuer Technologien und Kommunikationsformen untersuchen, um Wissen und Teilhabe breiter zu streuen – auch jenseits der perfekten Beherrschung von Schrift?
  • Wie definieren wir „Tiefe“ und „Bedeutung“ in einer Welt, in der Kommunikation vielfältiger wird? Ist das konzentrierte Lesen eines Buches der einzige Weg zu tiefem Verständnis, oder können nicht auch Podcasts, interaktive Formate oder KI-gestützte Dialoge wertvolle Erkenntnisse liefern?
  • Wie entkommen wir der Gefahr, bestimmte Kulturtechniken über andere zu erheben und damit Menschen auszugrenzen?

Fazit

Ich glaube fest daran, dass die Zukunft nicht in der Bewahrung eines idealisierten Gesterns liegt, sondern in der aktiven, neugierigen und vor allem inklusiven Gestaltung der kommunikativen Gegenwart und Zukunft. Es geht darum, Barrieren abzubauen, nicht neue aufzurichten.

Was denkt ihr darüber? Übersehe ich etwas? Wie können wir eine wirklich inklusive Debatte über die Zukunft des Lernens und der Kommunikation führen? Ich freue mich auf eure Kommentare!

Bildquelle: Washington Post Opinions – Screenshot – https://www.instagram.com/p/DKKG2W8xW0P/?igsh=MTZzOTd1bjNlODlsdw==

Hinweis: Dieser Text wurde in Zusammenarbeit mit Google Gemini 2.5 Pro erarbeitet. Was dem Autor ebenfalls eine große Hilfe war. 😉